Unter dem Hakenkreuz (1933 - 1945)
Amtswechsel in bedrohlicher Zeit
Vor dem Hintergrund des Reichskonkordats mit dem Vatikan vom 22. Juli 1933, das der katholischen Kirche in Deutschland - mindestens auf dem Papier - die Eigenständigkeit zugestand, dass Bischöfe und Pfarrer Glaubens- und Sittenlehre unverkürzt verkündigen und die Sakramente spenden konnten, schien das Gemeindeleben auch in Schonnebeck ohne besondere Störungen von außen zu verlaufen. Pfarrer Becher feierte am 20. August 1933 sein 40jähriges Priesterjubiläum mit Festhochamt um 10.00 Uhr, Festandacht um 16.00 Uhr und einer Festversammlung im evangelischen Gemeindesaal um 17.00 Uhr. Im September 1933 wurde als Nachfolger für den scheidenden Kaplan Mauel der Neupriester Leven aus Grevenbroich zum Kaplan an St. Elisabeth ernannt. Zu einem festlichen Höhepunkt wurde die Einsegnung (Konsekration) des Hochaltars am 4. Oktober 1934.
Am 10. April 1934 musste der Pfarrer zum ersten Mal seinen Dienst für sechs Wochen wegen Erkrankung aussetzen. Davon hat er sich nicht wieder richtig erholt, denn Anfang 1936 erkrankte er wieder und
bat schließlich um Pensionierung. Am 31. März 1937 wurde seinem Gesuch stattgegeben und er von seinem Amt als Pfarrer von St. Elisabeth entbunden. In der Chronik heißt es dazu: „Am letzten Tage
seiner Amtsführung nimmt die Pfarrgemeinde von ihrem Pfarrer Abschied. Eine Abordnung des Kirchenvorstandes mit den beiden Herren Kaplänen besuchen den Herrn im Krankenhaus und überreichen ihm eine
Urkunde über eine Meßstiftung auf seinen Namen und nach dem Tod für seine Seelenruhe."
Als sein Nachfolger wurde am 11. April 1937 der bisherige Religionslehrer Studienrat Franz Rothäuser als Pfarrer eingeführt. Die Leitung der offiziellen kirchlichen Zeremonie, u.a. Übergabe der Ernennungsurkunde, hatte Herr Dechant Pyls von Stoppenberg. Eine „außerkirchliche" Feier fand anschließend mit Vertretern des Kirchenvorstandes, der Vereine, der Schulen und Geistlichen aus dem Dekanat statt. Von einer wie zu solchen Anlässen sonst üblichen Festversammlung der Gemeinde wurde „wegen der Nazizeit" Abstand genommen.
Noch im gleichen Jahr, am 6. Oktober 1937, starb Pfarrer Becher in seiner letzten Wohnung im Haus Huestraße 48 an Arterienverkalkung. Eine hohe Anzahl von Priestern, die Schulen und die ganze
Gemeinde geleiteten ihn am 10. Oktober zu seiner letzten Ruhestätte auf dem „Alten Schonnebecker Friedhof."
Mittlerweile hatte unmittelbar nach dem Abschluss des Konkordats der Kirchenkampf in Deutschland begonnen. Vollzog dieser sich in der Anfangsphase noch getarnt, so wurde er in der Folgezeit immer
offener und brutaler. Die bischöflichen Protestnoten an die Regierung und die Hirtenschreiben an die Gemeinden begannen bereits im Herbst 1933 und nahmen an Schärfe und Bedeutung zu. Der Vatikan, der
sich auf die Vereinbarungen des Konkordats stützen konnte, begann schon 1934 einen diplomatischen Notenwechsel, der in harter Sprache die Vertragsverletzungen und -verdrehungen anprangerte. Den
Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung mit der scharfen Enzyklika des Papstes Pius XI. „Mit brennender Sorge" vom 14. März 1937.
Sie war eine einzige große Anklage gegen das Hitler-Regime, in der neben der Auflistung der Vertragsverletzungen der Rassegedanke, das Führerprinzip und der Totalitarismus auf das Schärfste
verurteilt werden. Sie wurde in allen Pfarrkirchen Deutschlands verlesen, dies geschah natürlich auch in Schonnebeck am Palmsonntag des Jahres 1937. Ergänzend erfolgten von der Kanzel Erläuterungen
zu dem zumeist in kunstvoll kurialem Stil verfassten päpstlichen Schreiben. Ungeachtet der oft schwierigen Formulierungen der Enzyklika ist sie auf jeden Fall als solidarischer Aufruf , sich nicht
irre machen zu lassen, von allen verstanden worden.
Verbote, "Entkonfessionalisierung"
Vier Monate nach seinem Amtsantritt, im August 1937, wurde dem neuen Pfarrer Rothäuser von der Landesregierung in Düsseldorf mitgeteilt, dass den Geistlichen der Religionsunterricht an den Schulen untersagt sei. Als sei er darauf schon vorbereitet, reagierte er prompt im folgenden Monat und richtete einen Kinder-Seelsorgeunterricht ein. Dieser wurde für eine Gruppe im Pfarrsälchen, für eine zweite in der Kirche oder Sakristei abgehalten und umfasste zunächst die Schüler des dritten bis achten Schuljahres. Nach dem Bau eines Seelsorgeraumes, des „Elisabethzimmers" (etwa neben der heutigen Sakristei) wurden die „Kleinen" des ersten und zweiten Schuljahres hinzugenommen. Die Betreuung der Mädchen übernahm Schwester Clementinis, um die Knaben kümmerte sich die Schwester Oberin. Über den Besuch des Seelsorgeunterrichts führte der Pfarrer über die ganzen Jahre eine penible Statistik.
Ein weiterer Schritt der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" durch die Nazis war die Abschaffung der Bekenntnisschulen, d.h., auch die katholischen und evangelischen Schulen
Schonnebecks wurden in Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Der Religionsunterricht an den Mittelschulen und Gymnasien war nur bis zum vierzehnten Lebensjahr erlaubt, und: „...es ist verboten,
Themen kirchen-geschichtlicher Art zu behandeln, die sich mit staatlichen Dingen befassen, z.B. Kreuzzüge, Papsttum und Kaisertum..." (Chronik 1941).
Die Aufhebung aller religiösen Zeitschriften und Zeitungen, dazu zählte auch unser Schriftenstand in der Kirche mit kleinen „Schriftchen", die Beschränkung der Borromäusbibliothek auf Bücher nur
religiösen Inhalts, kamen als Maßnahmen hinzu, die kirchliche Wirksamkeit auf allen Gebieten zu beschneiden.
Wenn auch die Gemeinde nicht direkt davon betroffen war, so hielt es der Kirchenchronist für sehr wichtig, die Beschlagnahmung von Klöstern, Aufhebung von Priesterseminaren sowie von katholischen
Hochschulen und Theologischen Fakultäten unter Nennung der Einrichtungen festzuhalten und anzuprangern. Sicher ist davon auszugehen, dass darüber in vertrautem Kreise gesprochen wurde.
Verschärfung nach Ausbruch des Krieges
Die Schikanen gegen die Kirche gingen nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 weiter. Christi Himmelfahrt und Fronleichnam wurden staatlicherseits auf den Sonntag verlegt, und es wurde unter Geldstrafen in unbeschränkter Höhe verboten, an diesen Tagen mehr Gottesdienste als an Werktagen zu halten (1940). Für Fronleichnam galt die Anordnung, Prozessionen nur auf kircheneigenem Gelände durchzuführen. Zuvor, als die Prozession 1939 zum letzten Mal durch die ganze Gemeinde gezogen war, waren Pfarrer und Gemeinde wegen des „Flaggenstreites" mit der Gestapo aneinander geraten. Der sog. Flaggenerlass von 1939, wonach das Hissen von Kirchenfahnen untersagt wurde, war so „verstanden" worden, dass die Gemeinde außer den weiß-gelben (Kirchen-)farben alle anderen möglichen Farben als Fahnenschmuck zur Prozession aufgeboten hatte. „Die ganze Pfarrei prangte in vollem Farbenschmuck. So schön war es in Schonnebeck noch nie", schreibt der Pfarrer begeistert in der Chronik. Nachdem 50 Personen aus der Gemeinde wegen Verstoßes gegen das Flaggengesetz von der Gestapo vorgeladen und zunächst über die Bestimmungen „aufgeklärt" worden waren, nahm der Pfarrer von der Kanzel aus alle Verantwortung auf sich. Die Gestapo ging darauf ein und vernahm ihn nach mehreren Monaten. Dabei konnte er wohl die Behörden von der irrigen Auslegung des Flaggengebotes überzeugen, denn missliche Folgen für ihn und die Beteiligten blieben aus.
So harmlos, wie die Geschichte heute erscheinen mag, war sie keineswegs. Die Aktion hätte - wie in ähnlichen anderen Fällen - als Demonstration gegen das Regime, (was sie tatsächlich auch war!) und
damit als staatsfeindlicher Akt mit allen gnadenlosen Konsequenzen geahndet werden können.
Das folgende erschütternde Ereignis zeigt, mit welch tödlicher Rigorosität die Machthaber vorgingen, um vermeintliche Gegner auszuschalten und zu vernichten. Eine Woche nach Beginn des Feldzugs in
Polen wurden sämtliche Polenvereinigungen im Reich verboten und deren Vermögen beschlagnahmt. Im Schonnebecker Polenverein waren die beiden Kirchenvorstandsmitglieder Wladislaus Josefowitz und Johann
Aranowski Funktionsträger, der eine Vorsitzender, der andere Schriftführer. Sie galten als Staatsfeinde, obwohl der Polenverein völlig unpolitisch war, wurden am 11. September 1939 von der Gestapo
verhaftet und später ins KZ nach Sachsenhausen gebracht. Dort sind beide infolge der „üblichen" brutalen Behandlung der SS-Schergen im März 1940 zu Tode gekommen. Die Urne mit der Asche des
Wladislaus Josefowitz wurde auf dem Schonnebecker Friedhof unter großer Beteiligung der Gemeinde von Pfarrer Rothäuser beigesetzt. (Josef Herten, „Historische Rundgänge durch den Essener Norden,
Schonnebeck", Essen 1992). Der Kirchenvorstand gedachte der beiden Toten in seiner Sitzung am 8. Mai 1940. (Protokollbuch des KV).
Ein großes Ärgernis bereitete den Geistlichen auch die sogenannte Kinderlandverschickung, die im Jahre 1940 begann. Unter dem Vorwand „Schutz vor feindlichen Fliegerangriffen" wurden Kinder
massenweise verschickt, insbesondere nach Böhmen und Mähren und in die Slowakei. Pfarrer wie Eltern befürchteten, dass man mit Absicht die Kinder von Elternhaus und Schule entfernen wollte, um ihnen
jede Bindung an die Kirche zu nehmen. Wir lesen in der Chronik: „Wir haben die Eltern darauf aufmerksam gemacht, sie sollen verlangen, dass ihre Kinder sonntags zur hl. Messe kommen und
regelmäßig Religionsunterricht haben. ... Aber davon ist nichts gehalten worden..." (obwohl vorher versprochen, der Verf.) ... "Wir sind durch Korrespondenz dauernd mit den Kindern in Verbindung
geblieben. Stellenweise wurde es den Kindern unmöglich gemacht, an die Pfarrgeistlichkeit zu schreiben. Alle Briefe werden streng kontrolliert."
Wie im Großraum Essen stand ein großer Teil der Eltern Schonnebecks dem Vorhaben ablehnend gegenüber, teils, weil man sich von den Kindern nicht trennen wollte, teils auch aus religiösen Bedenken.
Immerhin wurden aus Essen 1941 rund 8.500 Kinder verschickt.
Unter den erbarmungslosen Vernichtungskampf gegen die Kirche fiel auch das Verbot der kirchlichen Verbände und Jugendorganisationen. Deren Zentralen wurden aufgelöst, gestattet waren lediglich
religiöse Zusammenkünfte bei Eucharistiefeiern, Wortgottesdiensten und in Seelsorgestunden wie der bereits erwähnten Kinderseelsorge. Dabei durften, und das traf besonders die jugendlichen Mädchen
und Jungen, nur Kirchenlieder gesungen werden. Sollte ein Kaplan einmal ein aus seiner eigenen Jugendzeit bekanntes Fahrtenlied in den Versammlungen anstimmen, geriet er mit Sicherheit in arge
Schwierigkeiten mit der Gestapo.
Gemeindeleben im Bombenkrieg
Wie konnte die Gemeinde vor dem Hintergrund der genannten Einschränkungen und Verbote, der ständigen Bespitzelung durch die übelste Sorte von Mitläufern, die Denunzianten, und schließlich bei den ansteigenden Bombenangriffen der Alliierten bestehen und überleben?
Die damals verantwortlichen Geistlichen bemühten sich, die gesetzlichen Verordnungen der Reichsregierung zu beachten, um den Spielraum für Katechese, Verkündigung und Sakramentenspendung nicht zu
gefährden. Die wahre Einstellung des Pfarrers zu den Nazis und ihren Untaten jedoch geht aus den Aufzeichnungen u.a. von 1942 hervor, in denen er unter der Überschrift „Der Kampf gegen die Kirche"
mit den bis dahin bekannten Vergehen und Rechtsbrüchen scharf ins Gericht geht. Wie gut, dass dieses Schriftdokument den damaligen Machthabern nicht in die Hände gelangte.
Die Seelsorge wurde neben den normalen Gottesdiensten deutlich verstärkt. Da den meisten Organisationen ein öffentliches Auftreten untersagt war, wurden die Männer und Jungmänner, die Frauen und Jungfrauen, die Jugendlichen und Schulentlassenen angesprochen und öfter als bisher zu Einkehrtagen eingeladen. Als Raum stand das Schwesternhaus zur Verfügung, das seit 1937 eine Kapelle mit dem Allerheiligsten besaß und 1939 ein neues Harmonium bekommen hatte. Auch personell ließ sich das bewältigen, da ab Mai 1937 der Pfarre eine zweite (feste) Kaplanstelle genehmigt worden war. Das Beispiel einer Einladung aus dem Jahre 1939 zeigt uns, für wie wichtig die Beteiligung an den Einkehrtagen angesehen wurde. Da heißt es u.a., und das war in einem veröffentlichten Schreiben gerade noch an der zulässigen Grenze: „Auch Du bedarfst zuweilen eines stillen Tages, um Dich an das Höchste und Letzte zu besinnen, heute mehr denn je, wo alle religiösen Werte angegriffen (werden) und bei vielen ins Schwanken gekommen sind." Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen war in den Jahren 1939 bis 1943 sehr gut. Die Verschärfung der Kriegslage brachte es mit sich, dass die Einkehrtage eingestellt werden mussten.
Ein besonderes Anliegen war den Geistlichen auch die Sorge um die Soldaten an der Front. Jährlich wurden Pakete zusammengestellt und verschickt, der Pfarrkalender mit den aktuellen Fotos von der
Kirche oder den neuen An- und Umbauplänen (1942) kam zu Weihnachten heraus und wurde den Soldaten zugesandt, immer begleitet von einem Seelsorgebrief. Von den meisten kamen dankerfüllte
Rückantworten. Der Versuch, mit den Briefen auch religiöse Schriften zu versenden, schlug fehl. Dies wurde untersagt mit dem Hinweis, dass die Heeresseelsorge genüge. Dazu lesen wir in der Chronik
die Reaktion: „Selten aber erzählen Soldaten etwas von Wehrmachtsseelsorge oder Feldgottesdiensten. Die allermeisten haben nie einen Feldgeistlichen gesehen."
Für die gefallenen
Soldaten fanden in den Kriegsjahren feierliche Totenämter statt.
Der Kampf um die Gottesdienstordnung - es gab seit 1938 fünf Sonntagsmessen, drei Werktagsmessen, an jedem Tag eine Andacht - war auf Dauer zermürbend. Zudem durfte die Kirche immer nur so viele
Besucher aufnehmen wie im Luftschutzraum untergebracht werden konnten. Als Luftschutzräume galten dabei die „splitter- und gassicheren" Häuser in Kirchnähe: das Pastorat mit 100, die Kaplanei mit
150, das Schwesternhaus mit 70, die Ziegelei mit 70 und die Glückaufschule mit 900 Personen.
Die ab 1941 heftiger werdenden Bombenangriffe erforderten ständige Änderungen und Anpas-sungen der Gottesdienste an die erwarteten Fliegeralarmzeiten. Verkürzte und verlegte Gottesdienste, Alarm
während der Messe, Flucht in den ersten Jahren in die Luftschutzräume, später in den nahen Luftschutzbunker, dessen Eingang gleich zum Stapel hin hinter dem Schwesternhaus lag, Angst vor
Volltreffern, auch im angeblich sicheren Bunker, Lichtausfall, das war in den letzten Jahren des Krieges tägliche Wirklichkeit. Dennoch: die Gemeinde hielt tapfer durch, Gottesdienste wie Andachten
waren gut besucht. Besonders begeistert berichtet der Chronist von den Mai- und Rosenkranzandachten, von den feierlichen Hochämtern an den Hochfesttagen, insbesondere zu Weihnachten. Im Mai 1944
findet sogar zum ersten Mal im Krieg eine Fronleichnamsprozession „rund um die Kirche" statt. Wir lesen: „...wieder eine Fronleichnamsprozession. Engelchen, Fahnen, ein Altar im Hauptportal.
Große Beteiligung der Gläubigen, zweimal um die Kirche, Dauer 35 Minuten."
1942 tauchte im Zusammenhang mit der Karfreitagsliturgie der Begriff „Volkspassion" auf. Gemeint war die Passion nach Matthäus, die komplett in Deutsch vom Chor gesungen wurde, die Gemeinde war mit mehreren Volksgesängen beteiligt. Der Zelebrant las die Leidens-geschichte leise auf Latein.
Die Pläne zur Erweiterung und zum Umbau der Kirche sowie die erfolgte Höherlegung des Chorraums (1940) erscheinen uns heute wie ein Signal, trotz schlimmer Bedrängnis die Hoffnung nicht aufzugeben. Wie wir aus den Aufzeichnungen erfahren, wurden Baupläne und Veränderung des Chorraums von der „Bevölkerung" in der Tat begeistert aufgenommen.
Bis Ende 1942 war Schonnebeck vor großen Beschädigungen verschont geblieben. Mit dem ersten Großangriff auf Essen vom 5. März 1943 setzte die planmäßige Zerstörung der Ruhrgebietsindustrie ein. Von
Rüttenscheid bis Altenessen brannte die Stadt. Weite Teile der Stadt, besonders die Innenstadt, wurden in Trümmer verwandelt. Ein zweiter Großangriff folgte am 12. März. Während die evangelische
Nachbargemeinde erhebliche Zerstörungen an Kirche und Gemeindehaus hinnehmen musste, war an unserer Kirche wie auch in Schonnebeck „wenig angerichtet worden." Kurz nach der Firmung am 20. Mai 1943
mit Weihbischof Stockums war Essen einem weiteren schweren Angriff der britischen Royal Air Force ausgesetzt, bei dem auch unsere Kirche am Dach und an den Fenstern getroffen und beschädigt
wurde.
Von da an sollten die Luftangriffe auf das Revier und Essen nicht mehr abreißen. In immer kürzeren Abständen dröhnten Tag und Nacht die Motoren der Flugzeuge und belegten die Stadt mit ihren Bombenteppichen. Mit gepacktem Koffer erwarteten die Menschen das Heulen der Luftschutzsirenen, um noch rechtzeitig in den nahen Bunker zu gelangen. In der Kirchenchronik, die von 1943 an einem Kriegstagebuch gleicht, werden für den Zeitraum 1943 bis Kriegsende 20 Großangriffe erwähnt und die Zerstörungen in Schonnebeck im Einzelnen beschrieben. Den Fliegerangriff vom 23. Februar 1945 bezeichnet der Pfarrer als Großangriff auf Schonnebeck, wir lesen: „Tagesalarm mittags 1 bis 3 Uhr. Wir haben keine Zeit, in den Bunker zu kommen, da fallen schon die Bomben. Immer und immer heftigere Erschütterungen im Bunker. Wir wissen, diesmal ist Schonnebeck getroffen. Getroffen wurde..." Dann werden 12 betroffene Straßen mit den beschädigten Häusern aufgezählt, zum Schluss Kirche, Pfarrhaus, Kaplanei, Schwesternhaus.
Die verstärkte feindliche Fliegertätigkeit und die vermehrte Inanspruchnahme der Schulen für militärische und Luftschutzzwecke führten u.a. zur Schließung der Schulen. Daraufhin wurde für die Kinder
des ersten und zweiten Schuljahres in der Gemeinde mit dem wöchentlichen Seelsorgeunterricht ein Leseunterricht verbunden. Als die Gestapo davon erfuhr, wurde dies streng verboten (Januar
1944).
Nach dem letzten schweren Tagesangriff am 11. März 1945 mit erheblichen Zerstörungen in Schonnebeck kündigte sich das letzte Kapitel dieses Krieges an. Nach der Essener Stadtchronik flogen die
Alliierten an diesem Tag den „furchtbarsten Sprengbomben-Angriff des Zweiten Weltkrieges überhaupt" gegen die Stadt. Rund 1.100 Flugzeuge warfen 8.000 Bomben schwersten Kalibers ab.
Am 23./24. März 1945 überschritten die alliierten Truppen den Rhein, der Artilleriebeschuss der Ferngeschütze rückte immer näher. Ende März wurde die Bevölkerung aufgefordert, das Stadtgebiet zu
räumen.
Ein völlig sinnloser Befehl, der bis auf wenige Ausnahmen von keinem wahrgenommen wurde. Zur Verteidigung der heranrückenden Truppen waren einige Geschütze an der Bonifaciusstraße und an der Schonnebeckhöfe aufgestellt, Soldaten richteten sich im Pfarrsälchen ein, das Elisabethzimmer wurde zur Schreibstube. Beide Räume beherbergten zur gleichen Zeit Polen und Niederländer, ausländische Arbeiter, die man ausgewiesen hatte, die aber zurückgekehrt waren.
Am Weißen Sonntag, den 8. April 1945, drangen amerikanische Panzertruppen von der Emscher her in Schonnebeck ein. Lassen wir die Kirchenchronik sprechen, in der die Stunden der Besetzung
Schonnebecks festgehalten sind: „Am Samstag wurde Katernberg besetzt. Furchtbares Artilleriefeuer - schwere Beschädigung von Häusern Dornbuschhegge, Richthofenstraße, Westbergsraße,
Saatbruchstraße. Eine sehr unruhige Nacht. Sonntagmorgen verhältnismäßig ruhiger. Nur wenige Leute wagen sich auf die Straße, Gottesdienst morgens normal... 18.00 Uhr erster feindlicher Soldat an
der Kirche, dann immer mehr, dazu die ersten Panzer. 19.00 Uhr Kampf um den Tabor."
Die schwachen Verteidigungsposten wurden natürlich schnell überwältigt, und am Montag rückte eine
„Unmenge" Panzer und amerikanischer Soldaten nach und rollte durch Schonnebeck in Richtung Kray und Steele. Die Bevölkerung verhielt sich ruhig, lag in den Fenstern oder stand an den
Straßenecken.
Am 20. April 1945 gab der Pfarrer wohl die allgemeine Stimmung der Gemeinde wieder, als er in der Chronik vermerkte: „Wir haben kein Wasser, kein Licht, keine Elektrische (Straßenbahn), keine
Eisenbahn, kein Telefon, keine Zeitung - und wir leben doch!"
Nach einigen Schwierigkeiten („große Plage") mit den ausländischen Fremdarbeitern, die raubend und plündernd durch
Schonnebeck zogen und insbesondere das letzte Stück Vieh aus den Ställen der Bauern mitgehen ließen, kehrte ab Juli wieder eine gewisse Beruhigung und Ordnung ein. Die bedingungslose Kapitulation
am 8. Mai 1945 hatte der Zerstörung und dem Töten endgültig ein Ende gesetzt.
Die Schulen wurden im August wieder als Konfessionsschulen eröffnet. Bei der kirchlichen Feier zu diesem Anlass waren am 13. August alle Schüler mit ihren Eltern und alle Lehrpersonen zugegen.
Nach feierlicher Segnung der Kreuze wurden diese in einer Prozession in die Schulen gebracht. Im September wuchs die Schülerzahl auf 700 an, davon ca. 250 in der katholischen Schillerschule, 450
in der katholischen Glückaufschule. Im November fand eine große Dank-, Sühne- und Bittwallfahrt der katholischen Männer und Jungmänner zum Gnadenbild der Madonna im Essener Münster statt, an der
auch sehr viele Männer aus Schonnebeck teilnahmen.
Voller Dankbarkeit und Freude feierte die Gemeinde das Weinachtsfest 1945. Trotz der unzureichenden Versorgungslage konnte durch eifriges Sammeln der Zutaten Spekulatius und Weißbrot gebacken und
an Bedürftige und Kranke verteilt werden. Von der Christmette berichtet die Chronik: „... nie hat die Mette einen solchen Andrang gesehen. Die Kinder mussten aufs Chor genommen und die
Sakristei mitbenutzt werden."